Aktualisiert: 20.5.2004.

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Robert Jungk, Erfinder der Zukunftswerkstätten Zitate von
Robert Jungk,
Vordenker und
Erfinder der
Zukunftswerkstätten


Mit herzlichen Dank an Edgar Weick, der diese Zitate zusammen stellte, um ihre Aktualität und Brisanz neu entdecken zu können. Bitte Feedback!


Robert Jungk (1913 – 1994)

Zitate aus seinen Schriften (1980-1989)


[Zeitsprung ins vorangegangene Jahrzehnt (1970-1979)]


1982

Anregung der schlummernden, Freilegung der brachliegenden schöpferischen Möglichkeiten vor allem bei jenen, denen fast niemand - auch ihre eingebildeten "progressiven" Vorbilder und Vorbeter nicht - zutraut, nützliche Vorschläge machen zu können, das bedeutet im tieferen Sinne eine "Ökologisierung" der gesellschaftlichen Bewegungen. Sie müssten sich endlich auf das "Wachstum" der Menschen besinnen, die mit ihnen für eine andere Zukunft streiten und mehr sind als zu Massen addierbare Quantitäten, mit denen politisch manövriert werden kann, sondern jeder Einzelne auf seine Weise und verstärkt noch in der Symbiose mit anderen Einzelnen ein Erfinder, ein Veränderer, ein Gestalter, der das unerträglich Gewordene zum Einstürzen und das Keimende zu Blühen bringen hilft.

In: Prinzip Leben. Hg. Petra Kelly u. Jo Leinen. 1982, S. 69

1986

Wie denn ohne Hoffnung? Ohne Atem kein Leben, ohne Licht kein Tag, ohne Erwartung kein Handeln. Wer das Wunder sucht, wird es nicht auf den alten, ausgetretenen Pfaden finden. Wer Rettung herbeisehnt, kann sie nicht bei denen finden, die aus träger Gewohnheit auf sinkenden Schiffen verharren.
...
Meine Hoffnung sind die vielen, die bisher stumm geblieben sind, die Zornigen, die sich empören, sind die Spinner, die ganz andere Träume wagen. Mitten in der schlechten Gegenwart, die von Konkurrenz und Rivalität beherrscht ist, entstehen Keimzellen brüderlicher und schwesterlicher Gemeinsamkeit. Dem Verfall setzen sie Regeneration entgegen, der zentral gesteuerten Monotonie überraschende Vielfalt. Nicht Härte, sonder Zärtlichkeit findet man da, nicht die Kälte der Macher, sondern die Wärme der Liebenden.

In: Die Zeit, 26.12.1986

Robert Jungk in der Stadthalle Köln-Mülheim (Dank für das Foto an Angelika E. Solle)

1986

Meine wichtigste politische Forderung: Erfindet neue Institutionen, die es den Bürgern endlich möglich machen, mitzudenken, mitzureden, mitzugestalten. Schafft auf allen Ebenen in den Gemeinden, in den Ländern, in der Republik, Gelegenheiten zu ständiger direkter Beteiligung des Volkes: Tausend Foren und Werkstätten, in denen Kritik geübt und Vorschläge gemacht werden können. Die Parteien - alle miteinander - sind dafür viel zu eng geworden. Sie kassieren Stimmen, aber hören nicht auf sie. Ihre Repräsentanten haben bis auf Ausnahmen den wirklichen Kontakt zu den Wählern verloren. Den Lobbys und Experten leihen sie ihr Ohr. Den Mann und die Frau "von der Straße" nehmen sie nicht ernst, weil denen, wie sie meinen Wissen und Durchblick fehlen.

Und in der Tat: Die Betroffenen werden zwar mit Lawinen zweit- und drittrangiger Informationen überschüttet, aber die wirklich wichtigen Vorhaben der Entscheider erfahren sie meist erst, wenn es schon zu spät ist, noch etwas daran zu ändern.

In: Wählen – aber wie? Schriftsteller über Deutschland vor der Wahl. 1986, S. 59 f.

1988

Es geht ein Gespenst um die Welt: die Resignation. Sie ist die Quittung für die unerfüllten Erwartungen des Jahrhundertbeginns. Alles scheint auf den Untergang zuzusteuern, ein Ende, das keinen neuen Anfang gestatten würde, Zerfall und Zerstörung bis zu einem Grad, der keine Regeneration mehr erlaubt.
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Die Macht der Resignation speist sich auch aus der Trägheit unserer Vorstellungskraft. Wir sind viel stärker, als wir uns selbst zugeben, von den jeweils vorherrschenden Denkweisen unserer Epoche abhängig und neigen dazu, sie in die Zukunft hinein auszudehnen.
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Wir brauchen eine starke Phantasiebewegung, an der nicht nur wenige Experten, sondern alle Interessierten - also auch Laien - beteiligt sein sollten. Ich will dazu anregen, dass viel mehr Zeitgenossen als bisher geistigen Widerstand leisten, indem sie konkret über neue gesellschaftliche Verhältnisse, andere produktive Möglichkeiten nachdenken, ohne schon ganz genau wissen zu können, wann und wie sie verwirklicht werden. Nur wer derart die Zukunft im Voraus erfindet, kann hoffen, sie wirksam zu beeinflussen.
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Wir haben, gerade in der heutigen Situation verbreiteter Ratlosigkeit, bewusste Vorstellungen zu entwickeln, Wert-Setzungen und Wege, Richtungsanzeiger, wie die Erde erhalten werden sollte, wie der Mensch leben sollte, damit die Welt vor dem Zerfall bewahrt werden kann. Solche Ideen lassen sich nicht aus der Analyse des technisch-ökonomischen Unterbaus der Weltgesellschaft gewinnen. Durch den katastrophalen Zustand dieses Unterbaus sind wir vielmehr heute mehr denn je gezwungen, uns vorzustellen, wie wir mit dieser Unordnung, mit diesem heranwachsenden Chaos fertigwerden können. Und dies bedeutet notwendigerweise einen Appell an orientierende Kräfte, an erfinderische Kräfte, an ordnende Kräfte.
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Delegation und Repräsentation als einzige legitime Formen demokratischer Meinungs- und Willensbildung waren somit auch Reaktionen auf die "Angst vor dem Chaos". So hat die repräsentative Demokratie zu einer verzerrenden und schmerzenden Reduktion der vielfältigen Wünsche, Ideen und Stimmen der Bürger geführt.
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Die Befreiung des Geniefunkens, der in jedem - also vielen! - entfacht werden kann, wird allerdings nur dann zu gesellschaftlichen Kraft, wenn das innovatorische Potential nicht wiederum in die Hände der "Macher" fällt, sondern - nach sokratischem Vorbild - uneigennützigen, wissenden "Geburtshelfern" und geduldigen "Gärtnern" überlassen bleibt, denen nicht Leistung, Erfolg oder Ruhm wichtig ist, sondern die Regeneration beschädigter Menschen und die Rettung ihrer zerfallenden Zivilisation.
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Es ist unendlich schwer, gegen seine Zeit zu leben. Aber ein "Ende der Alternativen", das Enttäuschte voreilig verkünden, bedeutet das nicht. Sie sind schon zu verschieden und zu zahlreich und für viele, die im "normalen" Leben keinen Platz finden können oder wollen, zu unentbehrlich geworden, als dass sie völlig aus unserer Welt verschwinden könnten. Es sind ja nicht nur Entschluss und Wille der Beteiligten, die Menschen - besonders junge Menschen - auf die Suche nach neuen Wegen schicken, sondern Verhältnisse, die sie dazu zwingen, wenn sie nicht äußerlich oder innerlich zugrundegehen wollen.
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Für einen neuen, humanen Fortschritt müssen andere, zeitentsprechendere Formen der Veränderung gefunden werden, die diese vom überkommenen Gewaltdenken der Technokratie bestimmten Dispositionen unterlaufen. Soziale Experimente sind ein solcher Versuch, die gesellschaftliche Entwicklungen auf eine allen - auch den noch Beiseitestehenden, Skeptikern und Ängstlichen - einsichtige Weise voranzutreiben. Sie zeigen versuchsweise, wie es sein könnte, wenn Arbeit und Freizeit, Erziehung und Gesundheitswesen, Verkehr und Städtebau, Industrie und Landwirtschaft, Politik und Verwaltung, internationale Beziehungen und Verteidigung von anderen, menschlicheren Gesichtspunkten bestimmt werden als den heute noch gültigen. Um ein anderes - menschennäheres - Bild möglichen positiven Wandels zu gebrauchen: Mit den gezielten Nadelstichen der Akupunktur vergleichbar können soziale Experimente im schwerfälligen Körper der Gesellschaft einen Heilungsvorgang anregen.
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Die Revolution unserer Tage wird nicht auf ein einziges dramatisches Ereignis fixiert sein. Sie muss viele Bastillen zu Fall bringen und ihre Insassen befreien: ohne Pulverdampf und Triumphgeschrei, vielmehr durch den stetigen Gegendruck der Bedrückten, unterstützt von der Desertion des Herrschaftspersonals, vor allem aber durch geschickte Nutzung unvermeidlicher Krisen in den nicht mehr funktionierenden Systemen.

In: Projekt Ermutigung. Streitschrift wider die Resignation. 1988, S. 7, 21f., 64, 67, 84, 87, 99, 107

Dieses Buch empfiehlt auch der Zukunftswerkstätten Verein zur Förderung demokratischer Zukunftgestaltung e.V. (Berlin) auf seiner Literaturliste.

Aus dem gleichen Buch wird auch an anderer Stelle auf dieser Website zitiert.


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