Aktualisiert: 4.4.2005

Mit Zukunftswerkstätten spielend in die Zukunft — Jahrestreffen 2005

Arbeitsgruppen-Protokoll
im Open Space





Was macht Spaß am Spiel?
und integrierteThemen: Spiel-Theorie (agon/alea/mimikry/ilinx), Jungen-Spiele/Mädchen-Spiele

Einberufen von: Robert André
Protokolliert von: Veit Urban
Mitwirkende: Birgit Carstensen, Horst Mauer, Sabine Bauder, Veit Urban, Uli Bauder, Wolfgang Fänderl.


Es ging anders, als das Thema der Arbeitsgruppe erwarten ließ, nicht um das subjektive Empfinden der Mitwirkenden, was ihnen am Spiel Spaß macht. Vielmehr griff die Arbeitsgruppe – so spiegelt es dieses Protokoll wider – das Rahmenthema des Jahrestreffen auf, indem sie das Spiel strukturell einordnet und sich dabei auf vier klassische, aus dem Griechischen übernommene Begriffe beruft: Mimikry – Alea – Ilinx – Agon.

Für die Zukunftswerkstatt-Praxis gibt dies eine gute Hilfestellung, um sich bewusster noch mit dem Einsatz von Spielen auseinanderzusetzen und nicht in unscharfer Absicht von "Hauptsache Stimmung auflockern" anzuleiten, sondern gezielt jeweils dasjenige Spiel auszusuchen, das den Bedürfnissen der Teilnehmenden am nächsten kommt: Bedürfnisse nach Verwandlung oder Zufall, nach Rausch oder Wettkampf.

Bezug nehmen lässt sich auf die Arbeit von

  • Robert Callois: In einer Vorlesungsankündigung der Universität Giessen lesen wir: "Eine vielbeachtete Klassifikation hat in diesem Zusammenhang Roger Callois (1982) vorgelegt. Obwohl zwischen den einzelnen Spielen unübersichtliche Verwandtschaftsbeziehungen bestehen, können sie nach Callois in vier Grundkategorien eingeteilt werden, je nachdem, ob innerhalb eines Spiels der Wettkampf (agon), der Rausch (ilinx), die Maskierung (mimikry) oder der Zufall (alea) dominiert."
  • Prof. Dr. Jürgen Schwier (Giessen): In der selben Vorlesungsankündigung der Universität Giessen lesen wir: "Es kann ferner angenommen werden, dass im Spiel bzw. beim Sport Interaktionsprozesse wirksam werden, die die Individuation und Identitätsbildung der Heranwachsenden beeinflussen und letztlich deren Enkulturation vorantreiben. Ich werde im Verlauf der heutigen Vorlesung die Auffassung vertreten, dass Spiele einerseits Ausdruck eines bestimmten "way of life" sind, also die Integration in eine Kultur fördern und zu deren Reproduktion beitragen. Andererseits kann über und durch das Spielen auch kulturelle Erneuerung und Veränderung stimuliert werden."

Protokoll-Auszug überspringen - Direkt zum Download des vollständigen Protokolls Auszug aus dem Protokoll im Open Space des Zukunftswerkstatt-Jahrestreffens ZW2005:

Was gehört strukturell zum Spiel und damit zu allen Spielen, wodurch unterscheidet es sich von Tanz, Sport, Arbeit...?

Sprachliche Wurzel ist der Tanz, in Verbindung mit rituellem Gebrauch.

Verwandlung

Entscheidend ist das Moment der mimikry, der Verwandlung — "Anähnlichung" vollziehen durch eine Wiederholung einer vorgefundenen Welt, diese sich zu eigen machen — "Anverwandelt" wird die Welt wiedergegeben (= mimesis) — Wahrgenommene Welt mit eigenem Ausdruck wiedergeben) — Zum Beispiel im "Rollenspiel" hat das Spiel Zeigecharakter und verweist symbolhaft auf die "reale" Welt — Oder es zeigt sich in nationalstaatlichen, geschmacklichen Vorlieben und Aufführungen (Football USA, Fußball England, Stierkampf in Spanien...)

Unberechenbarkeit

meint das strukturelle Merkmal Zufall oder Glück (alea), was besonders die Spannung auszumachen scheint bzw. selbst solch eine permanent erzeugen kann: Ob etwas Neues gelingt oder wer diesmal gewinnt, sich taktisch klug verhält... — Damit scheinen Spiele unendlich wiederholbar zu sein, da sie nicht vorausberechnet werden können und immer "anders" sind — Spielen ist Horizont erweitern, Neugierde auf Unbekanntes und hat damit Potential der Selbstvergewisserung und Selbsterkenntnis.

Spielrausch

ist Eintauchen in eine eigene Welt — Spielbezogen mit kontextgebundener Raum- und Zeitdimension / Zeitempfindungen (ilinx) — Gemeinsame Verabredung bzw. Klarheit, dass jetzt Spiel ist — Große emotionale Ergriffenheit / Verwicklung (emotionale Verdichtung) — Spiel und Sucht können nah beieinander stehen.

Wettkampf

Ob der agon ein strukturelles Merkmal ist, blieb offen — Bei einer Bejahung wird aber von einem sich Messen ausgegangen (gegen die eigene / andere Zeit; Geschicklichkeitsverbesserung beim Gummihüpfen; Wiederholungszahl beim ko-agierenden Federball; gegeneinander beim Tennis usw.) — Gegenstandpunkt: Es gibt auch Spiele ohne jeglichen agon.

Zudem wurde diskutiert,
dass das Spiel zweckfreies Tun sei — zweckmäßig ohne Zweck (den hat es indirekt; zum Beispiel Einüben von Handlungen wie Jagen, Rollenmuster...).
  • Auch die Regeln des Spiels garantieren, dass keine existenzielle Bedrohung stattfindet (auch wenn es das Spiel mit dem Tod gibt).
  • Spielen ist kombinierbar mit Sport und Tanz, Arbeit und Beziehung, Rausch und Virtualität, Krieg und Alltag; es kann zum Spiel inszeniert werden, aber dann ist es Spiel, nicht Sport, Tanz, Arbeit...
  • Es gibt überall fließende Übergänge, z.B. zur Ernsthaftigkeit (aus Spiel wird Ernst).
  • Spiel ist nicht auf der phänomenalen Ebene strukturell fassbar im Sinne: "Das ist / das ist nicht Spiel"
  • Spiele / Spielen liefert Erkenntnisse des Sozialen und Kulturellen

Zurück zum Beginn des Protokoll-Auszugs Soweit der Protokoll-Auszug. Das vollständige Protokoll enthält darüber hinaus
  • vier Literaturempfehlungen zum Thema
  • eine Graphik zum Erfahrungslernen (Dialogisches Prinzip) mit drei Säulen zwischen aktivem und passiven Pol: Ressourcen schaffen — Präsenz — Lebenskunst
und lässt sich hier als PDF-Datei herunterladen.



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