24.9.2006
Rüdiger Lutz – ein umstrittener Wegbereiter der Zukunftswerkstätten ist tot – ein Dialog zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten soll aufleben
In der Anerkennung für sein spannendes Lebenswerk
(siehe neue Link-Rubrik)
soll nicht verschwiegen werden, dass Begegnungen mit Rüdiger
Lutz nicht immer leicht waren. Er war das Enfant Terrible der Zukunftswerkstatt-Szene und wurde zum Schwarzen Schaf in der
"Elefanten-Runde". Er brüskierte andere damit, dass er seine Zukunftswerkstätten durchnummerierte
und sich damit schmückte, schon so viele hundert Zukunftswerkstätten gemacht zu haben. Auf einem der frühen
Perspektiventreffen (so nannten sich Mitte der achtziger Jahre die
Zukunftswerkstatt-Jahrestreffen) eskalierte der Streit. Mit seiner Präsentation der
dritten Generation von
Zukunftswerkstätten, unter Einbeziehung von psychologischen und esoterisch-psychedelischen Arbeitselementen,
fühlten sich andere Kolleginnen und Kollegen, die nicht dieser Entwicklung folgen wollten, zurückgesetzt.
Man war gekränkt, als "nur" zweite Generation klassifiziert zu werden. Der Streit um die "wahre"
Zukunftswerkstatt entzweite über Jahre weite Teile der Zukunftswerkstatt-Szene, manche mieden fortan auch die
jährlichen Treffen.
Rüdiger Lutz tauchte von Zeit zu Zeit bei den Jahrestreffen auf, meist unangekündigt und ohne dass sein Mitwirken
von Dauer war. Im Kreis der Vernetzung von Zukunftswerkstätten noch in lebhafter Erinnerung ist sein "Erscheinen"
kurz vor Ende des Treffens im Januar 2002 in Heppenheim. Sein berechtigtes Anliegen nach mehr aktuellem politischem Handeln
durch Zukunftswerkstätten nach 9/11 eskalierte in offenem Streit.
Zuletzt begegneten viele aus dem Kreis der Zukunftswerkstatt-Vernetzten Rüdiger Lutz in Bad Boll, November 2005.
Er kämpfte um seine eigene Befreiung aus psychiatrischer Zwangseinweisung und wurde doch letztlich abgeholt, ohne
dass es im Kreis derjenigen, die dem Werk Robert Jungks eine
Tagung widmeten, möglich war, die Positionen zu klären.
Zu hoffen ist, dass sich nun wenigstens nach seiner Beerdigung (Fr. 29.9.2006 15 Uhr auf dem
Bergfriedhof in
Tübingen) die Wertschätzung durchsetzen kann für das, was er an
Besonderem und Bemerkenswertem zweifellos bewegt hat und was er an zukunftsweisender Inspiration beigetrug.
Längst haben viele, die von den Zukunftswerkstätten bewegt sind, andere Wege eingeschlagen,
auf denen sie die Zukunftswerkstatt nicht als festgefügte Methode, sondern
als ein offenes Konzept betrachten. Das Konzept Zukunftswerkstatt wird heute auf vielerlei Weise ausgestaltet und variiert, um gesellschaftliche und
politische Beteiligung von "Unten" zu fördern. Für eine Intensivierung des Dialogs unter denjenigen
Kolleginnen und Kollegen, die unterschiedliche Ausprägungen und Weiterentwicklungen des Grundkonzeptes
Zukunftswerkstatt
erfinden und praktizieren, ist es höchste Zeit: Ausgrenzung ist passé – Integration gefragt. Die Kenntnisse
über Rüdiger Lutz Lebenswerk können als Orientierung helfen.
Über ein kritisches Echo und Vorschläge zum Aufbruch würde ich mich freuen.
Stephan G. Geffers, Köln
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